Fünf Jahre nach der ersten Fahrraddoku für das NDR-Format „45 Min“ war es an der Zeit für eine Fortsetzung. Hat sich Hamburg wie versprochen zu einer „Fahrradstadt“ entwickelt? Wurden die seinerzeit offenbar eigens für Gefahrensucher gestalteten Radstreifen in Osnabrück entschärft? Wie steht es überhaupt um die Verkehrswende in Deutschland?
2016 hatten wir Hamburgs Radverkehrsbeauftragte interviewt: Kirsten Pfaue (zuvor ADFC-Landesvorsitzende) war da gerade ein Jahr im Amt und entpuppte sich als überzeugte Fahrbahnradlerin, die keine Kritik an ihren aufgepinselten Radstreifen zuließ. Allerdings zeigte sich schnell, dass das Radeln zwischen parkenden und fahrenden Autos seine Tücken hat und auf viele abschreckend wirkt.
Gegen die von Pfaue betriebene „Linienmalerei“ sammelte der Hamburger Radentscheid in der Folge 23.000 Unterschriften und drohte mit einem Volksbegehren. Der Gegenwind aus der eigenen Zielgruppe führte 2020 zu einer Einigung des Senats mit dem Radentscheid. Der neue Verkehrssenator Anjes Tjarks (Die Grünen) versprach baulich geschützte Radwege an Hauptstraßen. Wir haben den Senator mehrmals daran erinnert und bekamen schließlich eine 500 Meter lange Protected Bike Lane in Hamburg-Harburg präsentiert.
Derweil machte Pfaue in seiner Behörde Karriere: Inzwischen Leitende Regierungsdirektorin und Koordinatorin der Mobilitätswende lässt sie nach wie vor bevorzugt Linien auf den Straßen markieren, baulich geschützte Radwege bleiben die Ausnahme. Das Ganze basiere auf „bundesweiten Standards“, betont Pfaue. Doch die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ (ERA) sind zurecht umstritten, was sich auch im Interview mit dem Leiter des verantwortlichen Gremiums zeigt.
Ganz ohne fragwürdige ERA-Vorgaben entstanden in Berlin einige Radwege, auf denen sich auch Senioren und Kinder sicher fühlen. Es zeigt sich: Wer echte Fortschritte will, sollte sich nicht auf Parteien und Verbände verlassen, sondern zivilgesellschaftlichen Druck aufbauen.
45 Min – Vorfahrt fürs Fahrrad?